Die Naturwurzelkrippe von St. Suitbert in Rheinbrohl
Das ganze Jahr über hat Rheinbrohl seinen Bürgern und seinen Gästen einiges zu bieten. Aber in der "ruhigen" Zeit gibt es für 41 Tage ein Highlight der besonderen Art. Vom Heiligen Abend bis zum 2. Februar, dem Festtag Maria Lichtmess, an dem vor dem 2. Vatikanischen Konzil traditionell die Weihnachtszeit endete, ist in der katholischen Pfarrkirche St. Suitbertus das "Krippchen", so sagen die Rheinbrohler zu ihrem Kleinod, aufgebaut. Aber das "Krippchen" ist eigentlich ein imposantes Kunstwerk, an dem die ehrenamtlichen Erbauer schon seit Anfang November mehr als 1200 Stunden mit sehr vielen Ideen, viel Fleiß und noch viel mehr Liebe gewirkt haben. Die Verkleinerungsform stammt wohl aus der Zeit des ersten Krippenbaus am Ende des 19. Jahrhunderts, als die Krippe noch klein war und noch nicht so viele Freunde aus Nah und Fern anzog. Die Entwicklung zu so einem beeindruckenden Krippenbau, an dem Kinder und Erwachsene fast ehrfürchtig und staunend verweilen, wurde von den jeweiligen Erbauern, besser gesagt Künstlern, vorangetrieben.
In dieser Kirche in herrlicher Lage kann ab Weihnachten jährlich die "Größte künstlerisch gestaltete Naturwurzelkrippe Europas" bewundert werden
Aber von vorn. Zur geschichtlichen Entwickung und zur heutigen Krippe schreibt der Rheinbrohler Hobby-Historiker Hansfried Schaefer in seinem Flyer, der auch an der Krippe ausliegt, sowie in dem Buch "Rheinbrohler Kirchen, Kapellen und Gedenkstätten" von Hansfried Schaefer, Dietmar Waldorf und Peter Kurtscheid, Seite 70 - 75, Cardamina Verlag:
Die Rheinbrohler Weihnachtskrippe
„Es begab sich aber in der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschätzt würde ... Da machte sich auf auch Joseph aus Galiläa, aus der Stadt Nazareth, in das jüdische Land zur Stadt Davids, die da heißt Bethlehem, darum dass er von dem Hause und Geschlechte Davids war, auf dass er sich schätzen ließe mit Maria, seinem vertrauten Weibe, die war schwanger. Und als sie daselbst waren, kam die Zeit, dass sie gebären sollte. Und sie gebar ihren ersten Sohn und wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe; denn sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge."
(Lukas-Evangelium)
... und sie gebar ihren ersten Sohn und wickelte ihn Windeln und legte ihn in eine Krippe...
Historischer Rückblick
Die Angaben über das Weihnachtsgeschehen in den Evangelien sind sehr spärlich. Neben der eindrucksvollen aber knappen Schilderung bei Lukas finden wir nur noch bei Matthäus einen kurzen Hinweis auf das Kind in der Krippe. Erst in dem, als nicht kanonisch eingestuften, „Protevangelium des Jakobus“ aus dem 2. Jahrhundert finden sich Hinweise auf den Ort, den Stall, Ochs und Esel usw.
Die ersten bildlichen Krippendarstellungen finden sich dann in Italien bereits im 4. Jahrhundert. Figürliche Krippen tauchen im 13. Jahrhundert auf und wir kennen die Geschichte von Franz von Assisi der 1223 im Wald von Rieti in einer Höhle die erste Krippe in der uns heute bekannten Form aufbaute und dort seine berühmte Weihnachtspredigt hielt. Erste Nachrichten von Kirchenkrippen in Süddeutschland sind uns aus dem 16. Jahrhundert erhalten. Eine große Förderung der Krippen als Andachtsgegenstand und Mittel zur religiösen Unterweisung verdanken wir den Jesuiten die sie im gesamten katholischen Europa verbreiteten.
Eine Krippe für die Rheinbrohler Pfarrkirche
Die Rheinbrohler Weihnachtskrippe hat eine über hundertjährige Tradition. Nachdem die Inneneinrichtung der 1852-56 neu gebauten Kirche vollendet war, dachte man auch an eine Krippe. Trotz der damals stark nachgelassenen allgemeinen Krippenverehrung erwarb die Pfarrei 1896 die schönen Kunststeinfiguren. Es sind nicht speziell für uns gestaltete Stücke, sondern müssen aus einer damaligen Serienherstellung stammen. Dies ist belegt weil bei der Lieferung einige Teile zu Bruch gingen, die aber innerhalb von 2 Wochen nachgeliefert werden konnten. Sie sind jedoch heute von einem gewissen Wert, da sich nur noch wenige Figuren aus jener Zeit erhalten haben. So schmücken diese ansprechenden Bildnisse alljährlich die Kirche während der ganzen Weihnachtszeit.
Die wird hier noch bis zum heutigen Tage in dem althergebrachten Zeitraum vom Heiligen Abend bis zum Feste Maria-Lichtmess, also vom 24. Dezember bis zum 2. Februar, eingehalten.
Wohl zurückgehend auf Matthäus, bei dem von einem Haus die Rede ist, wurde in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts ein strohgedeckter Stall mit alten Balken gezimmert und die umgebende Landschaft mit Papiermaché und Farbe relativ einfach imitiert. Für den Aufbau der Krippe waren die jeweiligen Küster verantwortlich dem natürlich noch ehrenamtliche Kräfte halfen. Zu Beginn des 2. Weltkrieges wurde der damalige Küster bald zum Wehrdienst einberufen. So konnte bereits Weihnachten 1939 die Krippe nur noch von den Ehrenamtlichen installiert werden. 1940 half dabei ein kleiner siebenjähriger Messdiener Josef Kurtscheid der nunmehr Jahr für Jahr mit machte. 1945 verbrannten in einer Scheune neben dem Pfarrhaus alle gesammelten Krippenutensilien, aber glücklicherweise wurden die Figuren im Pfarrhaus aufbewahrt das nur wenig beschädigt war. Nachdem die ebenfalls beschädigte Kirche wieder einigermaßen instand gesetzt war konnte 1946 auch wieder die Krippe aufgebaut werden.
Die Krippe von 1947
Weitere historische Fotos finden sie hier
Die Wurzelkrippe
Diese Aufgabe übernahm nun der junge Josef Kurtscheid selbständig. Wohl angeregt von Franz von Assisi wollte er weg vom Pappmaché und die Krippe in einer Grotte aus natürlichen Baumwurzeln unterbringen wie es in Süddeutschland öfters praktiziert wurde.
Er begann nun das ganze Jahr über den Wald zu durchkämmen um das entsprechende Wurzelwerk zu finden, wobei ihm seine ganze Familie half. So wuchs die Krippe von Jahr zu Jahr und wurde immer eindrucksvoller. 1977 zog Kurtscheid mit seinen Helfern erstmalig die Wurzelkonstruktion über die neue Eingangstür zum Querschiff hinweg, so dass die Besucher nun durch dieses Bauwerk gehen und die Krippenszene von mehreren Seiten bewundern können. Diese in ihrer Eigenart und Größe beeindruckende Darstellung blieb natürlich nicht unbeachtet und zog immer mehr Besucher an.
So wurden auch die Fachleute der international bekannten, ganzjährigen Krippenausstellung „Krippana“ in Losheim in der Eifel auf die Rheinbrohler Krippe aufmerksam und ruhten nicht eher bis sie die Zusage hatten, dass sie diese als „Größte künstlerisch gestaltete Naturwurzelkrippe Europas“ in ihrem Hause zeigen konnten. Sie stellten einen entsprechend großen Raum zur Verfügung und so wanderte nach dem Lichtmesstag 1991 die gesamte Krippe in dieses große Museum nahe der belgischen Grenze. Dort wurde sie das ganze Jahr über bewundert und damit auch über die Grenzen von Deutschland hinweg bekannt. Sie kehrte erst in der Adventszeit wieder an ihren angestammten Platz in der St. Suitbertus-Pfarrkirche nach Rheinbrohl zurück.
Josef Kurtscheid starb 2003 nachdem er über 60 Jahre für seine Krippe tätig war. Sein Werk wird aber von seinen Helfern fortgeführt.
Der Krippenbau
Der Aufbau ist das Ergebnis eines langwierigen Arbeitsprozesses, in der Vorweihnachtszeit. Bereits Anfang November trifft sich die kleine Gemeinschaft der Krippenbauer um mit den Vorbereitungen zu beginnen. Die in drei Seecontainern hinter dem Carport neben der Kirche eingelagerten Bauteile müssen ins Seitenschiff gebracht werden. Dann beginnt mit dem Aufstellen der Wandstützen, den freistehenden Säulen und der großen tischartigen Fläche für die Krippe der Unterbau. Stützen und Säulen werden mit einem tragfähigen Balkenwerk verbunden auf das mit normalen Industriepaletten der Untergrund für den oberen Aufbau geschaffen wird. Das Gitterwerk aus Paletten eignet sich hervorragend zum Befestigen der unzähligen Wurzeln. So wächst langsam das Wunderwerk aus Wurzeln, Moos und natürlichen Grün.
Nicht nur in der ersten Reihe sondern mittendrin in der Weihnachtsgeschichte befindet sich ist der Besucher
Dabei werden ca. 35 Raummeter Naturwurzeln, ca. 120-150 lebende Pflanzen, ca. 4 m3 Grünschnitt und ca. 5 m2 Moosfläche liebevoll platziert. Dies erfolgt nicht nach einem präzisen Plan sondern nur die große Linie wird beibehalten. Dadurch ergibt sich, dass wir jedes Jahr ein erneutes Unikat vor Augen haben.
Obwohl die Anlage das ganze ca. 56 m² große nördliche Querschiff umfasst, konzentriert sich doch alles auf das Wesentliche der Weihnachtsgeschichte, eben die Geburt Christi im Stall zu Bethlehem. Die dargestellte weite Ebene mit dem Bach rechts von der Krippe, die bis zu 3,5 m in den Raum vorspringt, wird erst ab dem Dreikönigstag etwas belebt durch das Gefolge der heiligen drei Könige, die dann auch in der Krippe zu finden sind.
Feuer, Brunnen, Quelle, schwarze und weiße Schafe, auf kein Detail wurde von den Künstlern verzichtet
Ein großer Vorhang der das ganze dahinter liegende Querschiff verdeckt schützt das „geheimnisvolle“ Werken vor den neugierigen Augen der Kirchenbesucher und besonders der Kinder.
Die Krippe in der Weihnachtszeit
Wenige Tage vor Weihnachten erscheint noch der Gärtnermeister Becker sen. mit Gehilfen in der Kirche um den Altarraum weihnachtlich zu gestalten. Die großen Weihnachtsbäume werden aufgestellt, die Kerzen angebracht und die Untergestelle für die Weihnachtssternpyramiden entsprechend vormontiert die dann mit unzähligen, speziell für diesen Zweck gezogenen, Weihnachtssternen geschmückt werden. Dieser prächtige Altarraumschmuck schließt sich homogen an die Krippe an.
An Heiligabend fällt dann endlich der Vorhang und zeigt die fertige Krippe. Zu Beginn der nächtlichen Christmette wird sie vom Pastor feierlich eingesegnet, der sich dann auch im Namen der Pfarrei bei den Krippenbauern bedanken kann für das wunderschöne Werk das sie in rund 1200 Arbeitsstunden wieder geschaffen haben.
Die Krippe ist von nun an die ganze Weihnachtszeit bis zum Lichtmesstag am 2. Februar täglich von morgens bis zum Einbruch der Dunkelheit zu besichtigen.
Die Krippenbauer haben in Rheinbrohl seit 1896 jährlich für viel Freude gesorgt.
Der Lohn für diese aufwendige ehrenamtliche Tätigkeit der Krippenbauer ist letztlich das Staunen und die Freude der vielen Betrachter die aus der Umgebung, aber auch vielfach von weit her zur Rheinbrohler Wurzelkrippe kommen und sich von ihr bezaubern lassen.